Interview mit Anita Lafer
Great-Lengths-Geschäftsführerin für Österreich, Deutschland und die Schweiz

Anita Lafer, MBA, ist Great-Lengths-Geschäftsführerin für Österreich, Deutschland und die Schweiz. 1994 wollte sie sich mit 24 Jahren beruflich neu orientieren und bewarb sich bei Great Lengths. Nach nur einem Jahr der Zusammenarbeit wurde Frau Lafer eine Partnerschaft angeboten. Mittlerweile ist sie mit 30 % am Unternehmen beteiligt und führt von St. Stefan im Rosental aus die Geschäfte. Von 2009 bis 2012 absolvierte Frau Lafer ein Studium mit Schwerpunkt Marketing, Unternehmensführung und Vertrieb. Aus einem Betrieb mit anfänglich 3 Mitarbeiterinnen wurden 95. Unter der Führung von Frau Lafer wurde das Unternehmen für Echthaarverlängerungen und -verdichtungen schon mehrfach ausgezeichnet.

• 2007: “Frauen- & familienfreundlichster Betrieb der Steiermark 2007“in der Kategorie Mittelbetriebe
• 2007: 3. Platz als „Frauen- & familienfreundlichster Betrieb“ im Bundeswettbewerb
• 2008: „TRIGOS 2008“ für das Projekt „Familien- & frauenfreundliches Unternehmen mit Weitblick“
• 2010: “PRIMUS“ – der große steirische Preis der Wirtschaft
• 2016: Exportpreis und Steirische Unternehmerin des Jahres 2016
• 1. Platz Austria´s Leading Companies, Leitbetriebe Austria, GreatPlace to Work, beste Arbeitgeber Steiermark

„Mir hat meine Arbeit immer Spaß gemacht und ich denke „Erfolg ist das, was folgt!“
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Yvonne Sammer: Wer ist Anita Lafer?

Anita Lafer: Ich bin 51 Jahre alt, verheiratet, habe 3 Kinder (11, 16, 19 Jahre alt) und bin seit 26 Jahren für Great Lengths als Geschäftsführerin und Miteigentümerin tätig. Somit schon sehr lange, aber nach wie vor mit großer Freude dabei.

Yvonne Sammer: Sie haben Great Lengths im deutschsprachigen Raum maßgeblich geprägt und wurden für Ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Worin liegen Ihre Stärken?

Anita Lafer: Meinen Werdegang sehe ich nicht als so besonders an, weil es mir nicht sehr schwer gefallen ist, diesen Weg zu gehen. Ich habe einmal ein Profil von mir erstellen lassen, wo herauskam, dass ich genau für diesen Beruf die Skills mitbringe.
„Also, wenn du das Glück hast, dass du genau in den Job reinkommst, der deinen Eigenschaften entspricht,
dann ist es auch nicht so schwer.“
Sei es also eine gewisse Art von Selbstbewusstsein oder eine Strategie, die ich als Geschäftsführerin entwickeln musste – so lag mir das von Haus aus. Und ich glaube meine zweitgrößte Stärke ist die „Bindung.“ Das heißt, ich habe das Glück, dass ich die Menschen um mich herum für eine Sache echt begeistern kann und diese dann langfristig mit mir an Board sind. Ich selbst „committe“ mich gerne und arbeite am liebsten ewig lange mit dem gleichen Team zusammen. Inzwischen verstehen wir uns blind und sind zu gemeinsamen WegbegleiterInnen über die letzten 30 Jahre geworden. Einige sind oder gehen sogar schon in Pension *lacht*

Yvonne Sammer: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Anita Lafer: Ich denke gewisse Dinge bekommt man schon von klein auf mit. Ich selbst habe mich schon seit der Volksschule als „Glückskind“ bezeichnet und das Glas als halbvoll gesehen. Ich bin Kooperationen eingegangen, um die Dinge schneller und leichter zu erledigen und um nicht alles selber machen zu müssen. Meine Stärke ist es, dass ich das große Ganze erfassen kann, daraus ziemlich schnell eine Strategie ableiten und entwickeln kann und mir die richtigen Menschen dazu hole. Denn ich bin nicht die, die es umsetzt. Da bin ich ganz schlecht darin, eher schlampig und keine Detaillistin. Es gibt definitiv andere Leute, die das dann viel besser können als ich. Wobei mir sehr wohl die Fehler ins Auge stechen *lacht*
Wie gesagt, wenn man von Haus aus so gestrickt ist wie ich, den kreativen Prozess und das große Ganze mag und es noch dazu versteht, die richtigen Leute an den richtigen Platz zu setzen, dann formiert sich ein gutes Team. Dann überlasse ich dem Team auch alles in der Umsetzung. Jedes Team sucht sich inzwischen seine Leute selber aus, die zu ihnen passen. Ich führe schon lange keine MitarbeiterInnen-Gespräche mehr und das klappt hervorragend!

Yvonne Sammer: Wie gestaltet sich Ihre Arbeitszeit?

Anita Lafer: Ich liebe meine Arbeit, aber so richtig „reinhackeln“ und 10 – 12 h Vollgas geben, das ist nicht wirklich meines. Seit ich Kinder habe, arbeite ich auch nur 4 Tage die Woche und das geht, es ist machbar. Dafür stelle ich ja auch die Rahmenbedingungen her. Je freier ich arbeiten kann, umso besser bin ich. So sehe ich meinen Job – ich stelle die Rahmenbedingungen her, gebe das Ziel vor und bin diejenige, die sagt „Das könnten wir auch noch machen!“

Yvonne Sammer: Unter Ihrer Führung wurde das Unternehmen als besonders frauen- & familienfreundlich ausgezeichnet. Sie selbst wurden 2016 zur Steirischen Unternehmerin des Jahres gekürt. Woher kommt der Fokus speziell auf Frauen im Betrieb?

Anita Lafer: Tatsache ist, dass du als Frau, sobald du Kinder bekommst, einen Karriereknick hast. Irgendwann wird es dann schwierig beides miteinander zu vereinbaren. Ich selber habe ganz genau gewusst, ich werde nie nur zu Hause bleiben und will, dass meine Kinder trotzdem die bestmögliche Betreuung haben und dass ich in der Nähe bin. So hat es sich zwangsläufig ergeben, dass wir unseren Betriebskindergarten 2007 eröffnet haben, als mein 2. Kind da war und ich 6 Mütter in der Anstellung hatte, die nicht wussten wohin mit ihren Kindern. Eine Ganztagesbetreuung gab es bei uns damals noch nicht. Nachdem wir uns alles selber organsiert haben, war es dann genau so, wie wir es gerne gehabt hätten. So verschafften wir uns gleichzeitig einen guten Ruf als frauen- und familienfreundlicher Betrieb, was ursprünglich ja aus einem Eigenbedarf heraus entstanden ist und nicht nur für PR-Zwecke.

Mir war es wichtig, Bedingungen zu schaffen, damit Mütter früher aus ihrer Teilzeit zurückkommen konnten.

Anita Lafer: Heute beobachte ich bei den 30-jährigen Müttern, dass sie lieber zu Hause bleiben und weniger arbeiten wollen. Nach 10 bis 15 Jahren war der Bedarf an Kinderbetreuung für uns dann irgendwann nicht mehr da, weshalb ich für die Mütter, die zurückkamen, sogar eine eigene Abteilung schaffen musste. Wirtschaftlich gesehen ist das mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten, Tagen und Stunden gar nicht so einfach.

Im Grunde genommen ist Kinderbetreuung ja nicht nur „Mami-Sache.“ Vor allem in Corona Zeiten waren es jetzt wieder die Frauen, die bei mir im Betrieb in Sonderbetreuung gingen. Aber wo ist da bitte der Papa? Solange wir so agieren, brauchen wir über familien- und frauenfreundlich eigentlich nicht reden. Schauen wir doch endlich darauf, dass auch die Männer ihren Teil leisten, damit es überhaupt eine Gleichstellung gibt. Wir müssten auch nicht alles neu erfinden, andere Länder zeigen ja, wie es gehen kann. Die Kolleginnen sind im Endeffekt die Armen, denn der Job ist da und muss gemacht werden.

Yvonne Sammer: Aus den 3 Mitarbeiterinnen im Jahr 1995 hat sich ein erfolgreiches Unternehmen entwickelt. Wie viele MitarbeiterInnen sind heute in Ihrem Team?

Anita Lafer: In Österreich sind wir 89, in Deutschland 11 MitarbeiterInnen. Wir haben auch eine eigene Produktionsstätte. Insgesamt sind wir zu 90% Frauen im Betrieb, die meisten davon aus der Region. Viele Frauen arbeiten Teilzeit oder sagen sogar „Mein Mann geht eh arbeiten.“ Das kann ich nicht nachvollziehen, wo ist denn da die Unabhängigkeit und wer zahlt die Pension? Mir persönlich war es immer wichtig, unabhängig zu sein, das ist eine persönliche Triebfeder von mir. Das geht aber nur, wenn du ein gutes Grundeinkommen hast, mit dem du dein Leben bestreiten kannst.

"Also, wenn du das Glück hast, dass du genau in den Job reinkommst, der deinen Eigenschaften entspricht, dann ist es auch nicht so schwer."

Yvonne Sammer: Was macht Great Lengths so erfolgreich oder so speziell?

Anita Lafer: Wir verkaufen kein Produkt, sondern Lebensfreude. Wir alle wissen ja, was Haare für uns Menschen bedeuten – egal ob für Frauen oder Männer. Bei Great Lengths ist das Spezielle, dass es vor knapp 30 Jahren aus einem Bedarf heraus entstanden ist. Es gab die Nachfrage und das Produkt ist deswegen gewachsen, weil viele Leute mit ihren Haaren unzufrieden waren.
Great Lengths war eines der ersten Unternehmen, die eine Verbindungsstelle geschafft haben, bei der das Eigenhaar gesund geblieben ist und es recht komfortabel zu tragen war. Es ist angenehm, man spürtes nicht, es schaut schön, echt und natürlich aus. Das war damals ein Riesenunterschied zu dem, was es an Haarqualität (Kunsthaar) am Markt gegeben hat.
Am Beginn dachte ich mir noch „Wer bitte kauft sich Haare? Die wachsen ja von alleine!“ *lacht* aber ich fand das Thema sehr spannend und dachte mir „Das schaue ich mir an.“ Es gibt ja Haare, die immer wieder abrechen oder nie länger werden. Manche sind sehr fein und dünn. Wer täglich mit einem „bad hair day“ konfrontiert ist, ist nicht ganz so glücklich. Zu Beginn war das Produkt noch völlig unbekannt, viele wussten gar nicht, was alles damit möglich ist. Somit waren die ersten Great Lengths-Friseure die totalen Pioniere und haben echt viel zum Erfolg beigetragen.
Wir sind dann ziemlich schnell gewachsen, da es einen riesigen Markt für Haarverlängerungen gab und nach wie vor gibt. Great Lengths ist sich allerdings in einer Sache treu geblieben: Wir haben immer gesagt „Nur Qualität!“ Wir produzieren in Österreich und Italien und haben somit andere Voraussetzungen als die asiatischen Firmen, aber natürlich auch andere Kostenstrukturen beim Produzieren.

Yvonne Sammer: Was kostet eine Haarverlängerung im Durchschnitt?

Anita Lafer: Eine Haarverlängerung beginnt ab 600,- Euro. Die KundInnen geben uns aber Recht, denn letztendlich kostet eine Haarverlängerung nicht mehr als ein Espresso am Tag und da reden wir aber von richtig viel Haaren. Das Hauptaugenmerk war ursprünglich gar nicht die Verlängerung, das ist zwar toll für die Werbung mit den vorher und nachher Bildern, aber das Hauptklientel unserer KundInnen – da würde man gar nicht glauben, wer alles unsere Haare trägt. Diese Menschen wollen einfach nur mehr Volumen oder dass der Haarschnitt gut fällt. Vielleicht nicht jeden Tag die Haare waschen müssen, weil das Styling dann länger hält oder einfach nur ein sicheres Gefühl haben. Dafür werden dann 200 bis 300 Euro ausgegeben, wobei das Ganze dann 4 bis 5 Monate hält. Mittlerweile sind wir im deutschsprachigen Raum sehr gewachsen, wo rund 6.000 Friseure unser Produkt permanent anwenden. Es sind wirklich viele Frauen, die wir damit glücklich machen können. Unsere Zielgruppe ist von 5 bis 99 Jahre alt, unser Hauptklientel zwischen 30 und 60 Jahren.

Yvonne Sammer: Wie kam es, dass Sie eine eigene Produktionsstätte in St. Stefan im Rosental gebaut haben?

Anita Lafer: 2016 haben wir 5 Millionen Euro in eine Produktionsstätte in St. Stefan investiert. Eigentlich ungewöhnlich, da es in Asien die besten Haar-ArbeiterInnen mit den entsprechenden Skills gibt und die mit feinem Material super umgehen können. In China gibt es ganze Städte, wo die Menschen nichts anderes machen. Preislich könnten wir da nicht mithalten.
Für uns kam das aber nie in Frage. Unsere Handarbeit wird nach wie vor durch viel Technik unterstützt, um top Qualität zu leistbaren Preisen anzubieten. Unsere Friseure können auch jederzeit zu uns kommen und sich das anschauen. Obwohl das menschliche Haar ein sehr anfälliges Produkt ist, haben wir eine top Qualitätskontrolle. Was wir selbst produzieren, können wir auch kontrollieren. Zudem kann man zur Haarpflege im Alltag ja auch allerhand beitragen, um die Qualität zu erhalten.

Yvonne Sammer: Welches sind Ihre Learnings und Tipps für junge Menschen?

Anita Lafer: Vielleicht sollte man sich in jungen Jahren überlegen und sich fragen „Was ist mein Lebensziel?“ Auch, wenn sich das mit der Zeit ändert. Sonst hat man so wenig, auf das man sich freuen kann. Ich denke es gibt nichts Schöneres, als wenn man einmal ein Ziel erreicht hat. Ich habe mir mit 18 schon überlegt „Ich will ein Haus, ich möchte Kinder und etwas von der Welt sehen.“ Ich habe aber nie gesagt „Ich will Managerin werden.“ Aus den Zielen ergeben sich dann weitere Schritte und Arbeitsfelder.
Zweitens sollten sich Frauen viel mehr Allianzen schaffen. Man sollte sich mit anderen verbinden und sich ein Netzwerk schaffen – egal, ob mit Männern oder Frauen. Man sollte sich nicht immer alles alleine erkämpfen müssen. Sich mit anderen verbinden, die auch dieselben Thematiken haben, das ist viel motivierender. Und man sollte sich nicht scheuen, ältere Leute um Rat zu fragen – Menschen, die Erfahrung haben. Gewisse Weisheiten gelten sowieso universal.
Drittens: Weiterbildung, Weiterbildung, Weiterbildung

Yvonne Sammer: Wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

Anita Lafer: Ich bin ziemlich wunschlos. Für meine Familie, für meine Kinder, wünsche ich mir natürlich Gesundheit und Glück. Glück braucht man immer. Du kannst zwar sehr fleißig, aber trotzdem unglücklich sein. Und, dass wir schätzen, was wir haben. Mir ist das vor allem in der Corona Zeit noch einmal bewusst geworden. Die schöne Natur, die wir haben und in welchem Überfluss wir leben. Für mich selbst versuche ich außerdem, noch mehr zu genießen, was ich habe.
Auch wenn man oft hört, du sollst das machen, was du gerne machst, so ist es für die Jugend doch sehr schwer, genau das heraus zu finden. Das sehe ich an meinen Kindern. Daher finde ich es gut, wenn junge Erwachsene mit Ferialjobs ihre ersten Erfahrungen sammeln. Man bekommt dann diese Anerkennung für seine Arbeit und spürt schon früh ein Erfolgserlebnis.

"Ich habe meine Kinder immer und überall mitgenommen, man sollte Arbeit und Leben nicht so streng trennen. Ich habe sicher auch das große Glück, ein super Team zu haben und dass es bei uns in der Firma sehr familiär ist. "

Jänner 2022