Interview mit Oona Horx-Strathern
Trend- und Zukunftsforscherin

Yvonne Sammer: Was sollte man über Oona Horx-Strathern wissen?
Oona Horx-Strathern: Where to start… *lacht*… Ich bin in Irland geboren, meine Eltern haben beide gearbeitet, auch meine Mutter war keine Hausfrau. Wir sind viel gereist, ich habe in verschiedenen Ländern gelebt, verschiedene Kulturen kennen gelernt und vielleicht dadurch das Bedürfnis gehabt, Geografie zu studieren. Jedoch war es „Human Geographie“ an der Uni in Bristol in England, was ein Mix ist aus Anthropologie, Geografie, Stadtentwicklung und wie wir als Menschen leben. Ich habe auch als Journalistin gearbeitet und war für das Fernsehen tätig. Da muss man viel recherchieren, hinterfragen, von einem Thema zum anderen wechseln, was für mich ebenfalls eine gute Lebenserfahrung war.
Yvonne Sammer: Warum haben Sie begonnen, sich mit Trends zu beschäftigen?
Oona Horx-Strathern: Mit 28 Jahren habe ich meinen Mann kennengelernt und wir gründeten gemeinsam ein Trend-Büro in Hamburg. Wir haben begonnen, Trends zu erforschen und aus dem heraus Jahre später unser Zukunftsinstitut gegründet. Wir wollten wissen, was die tieferen Trends sind, warum Trends entstehen, welches die wichtigsten Mega-Trends sind – und uns nicht nur die Konsum-Trends anschauen. Ich habe mich dann auf die Themen Design und Wohnen spezialisiert. Vor 10 Jahren bauten wir unser Zukunftshaus, wo letztendlich alle unsere Erkenntnisse eingeflossen sind.
Yvonne Sammer: Wie erforscht man Trends?
Oona Horx-Strathern: Im Rahmen meiner Ausbildung lernte ich bereits, wie man Statistiken liest und auswertet. Wir sehen uns vor allem demografische Veränderungen an, Visionen und viele Umfragen, die alle einem Muster folgen. Es geht nicht nur darum zu wissen „Wie wird die Zukunft und was wird sein“, sondern auch darum, die Gegenwart zu untersuchen. Was passiert im Moment, welches sind die aktuellen Strömungen und Bewegungen? Was kommt, was geht?
Yvonne Sammer: Wie nehmen Sie die Veränderungen am Arbeitsmarkt wahr?
Oona Horx-Strathern: Was wir sehen und was uns alle betrifft ist das Home Office, wo wir unsere Wohnung auch als Arbeitsplatz benützen (müssen). Bis man sich daran gewöhnt, wie etwa Möbel umstellt oder neue Regeln dafür aufstellt, dauert das. Das ist ein Lernprozess. Trotz der Schwierigkeiten und Veränderungen kann man schon Vorteile daraus ziehen. Ich glaube vor allem für Pendler, die viel im Stau standen, fällt jetzt der mentale Stress weg, auch wenn sie sich daran gewöhnt haben.
Es kann eine Win-win-Situation sein, da ArbeitgeberInnen am Ende glücklichere MitarbeiterInnen haben, wenn sie zusätzlich für ein paar Tage auch von zu Hause aus arbeiten können. Wenn man die Leute zwingt ins Büro zu kommen, dann hat man bestimmt auch unglückliche MitarbeiterInnen.
Yvonne Sammer: Was verstehen Sie unter dem Begriff „Hoffice“?
Oona Horx-Strathern: Im Sommer 2020, habe ich viel über das Home Office geschrieben, weshalb ich mir dachte, wie ich das lange Wort komprimieren könnte – und daraus entstand dann das „Hoffice.“ Zudem klingt es ein wenig wie „Hoffnung“, weil es für viele Menschen so was wie eine Erleichterung war. Das Home Office betrifft Männer und Frauen, uns alle. Dafür brauchen wir neue Regeln, was wir ebenfalls noch lernen müssen, statt in alten Mustern zu bleiben.
Yvonne Sammer: Wie kommt es, dass man auch in das Mobiliar mehr Beweglichkeit bringen möchte?
Oona Horx-Strathern: Es gibt die modulare Bauweise und die modulare Möblierung. Durch modulare Möbel sind wir flexibler, um unser Zuhause in ein Büro umzuwandeln. Sie sind tendenziell ökologischer, weil man Teile ersetzen kann und nicht alles entsorgen muss. Wer oft umzieht hat somit einen Vorteil. Geht es um den Grundriss, steht ebenfalls die Idee der Flexibilität im Vordergrund, falls man in Zukunft den Raum anders nutzen möchte. Ich glaube die Flexibilität wird für uns immer wichtiger.
Yvonne Sammer: Welche Bedeutung hat die Küche in ihrer Ursprungsfunktion?
Oona Horx-Strathern: Ich habe diesen Trend „the conscious kitchen“ genannt – die selbstbewusste Küche – die viele Ebenen beinhaltet. Die Menschen haben mehr Zeit zum Kochen. Sie entscheiden sich bewusst für eine höhere Qualität der Zutaten und Lebensmittel und nehmen Foodwaste ernst. Die Küche ist nicht nur „the heart of the home“ sondern auch die „engine“ – quasi der Motor für uns. In den letzten Jahren wurde wesentlich mehr in den Küchenbereich investiert. Früher gab es diese „Status-Küchen“, jetzt steht die „funktionelle Küche“ im Vordergrund. All das findet man unter anderem in meinem Home Report.
Yvonne Sammer: Was sind Ihre Life-Learnings?
Oona Horx-Strathern: „Open mindedness“. Ich treffe viele Menschen, die sehr engstirnig denken. Ich glaube man braucht viel Lebenserfahrung, um ein gutes Business zu machen. Ich empfehle daher, wenn möglich ein Sabbatical zu nehmen, wenn es möglich ist, zu reisen und verschiedene Kulturen kennen zu lernen, um offen für Neues zu sein. Zu sehen, wie andere Menschen und Kulturen leben – das gibt einem einfach eine andere Perspektive im Leben. Journalismus zum Beispiel ist ein Beruf, wo man auch über verschiedene Themen schreiben muss, was wiederum einen offene Einstellung erfordert.
Yvonne Sammer: Work is a place, where people make a life, not just a living. Was verstehen Sie darunter?
Oona Horx-Strathern: In Deutschland haben wir in manchen Orten bis zu 50% Single Haushalte. Da erkennt man dann, dass die Beziehungen und Kontakte am Arbeitsplatz wichtig sind. Ich kenne viele Menschen, die ihren Partner am Arbeitsplatz kennen gelernt haben. Ich habe beide Ehemänner bei der Arbeit kennen gelernt, natürlich bei verschiedenen Jobs *lacht*. Aus diesem Grund glaube ich, dass wir nicht nur im Hoffice arbeiten werden, sondern eher eine Mixform leben werden: zum Beispiel ein paar Tage im Co-working Space und ein paar Tage zu Hause. Am ehesten bevorzugen das Modell des Hoffice Personen zwischen 40 und 60.
Junge Menschen hingegen sind sehr flexibel. Auch die Statistiken zeigen, dass junge Menschen nicht nur im Hoffice arbeiten wollen because… „They make their life through their work.“
Die Zeiten ändern sich, so auch unser Lifestyle. Meine Großeltern hatten einen Job fürs Leben, ein Haus fürs Leben, ein Auto fürs Leben. Das verändert sich gerade alles. Jetzt leben wir viel länger, sind auch mehr individualisiert, haben unterschiedliche Lebensphasen. Wir können uns immer wieder neu ausbilden lassen, eine neue Karriere mit 60 starten, man kann umziehen.
""ZUKUNFT ENTSTEHT, WENN BEZIEHUNGEN GELINGEN!"
Yvonne Sammer: Wo sehen Sie die Herausforderung einer guten „Work-Life-Balance“?
Oona Horx-Strathern: Ich denke, dass der Begriff „Work-Life-Balance“ veraltet ist, weil wir da von zwei separaten Seiten sprechen. Ich nenne es lieber „Work-Life-Blending“, da die Arbeits- und Freizeitbereiche zunehmend miteinander verschwimmen.
Heute können wir überall arbeiten, sind überall erreichbar. Dass wir dafür wiederum eine Auszeit brauchen – das zeigen Trends wie digital detox oder mindfulness. Es gibt immer einen Trend und einen Gegentrend und da müssen wir dann schauen, wie wir das alles am besten für uns managen. Ich denke wir sind sehr ungeduldig mit Veränderung, Wandel und Anpassung. Es hat Millionen von Jahren gedauert bis wir da waren, wo wir jetzt sind. Daher sollten wir auch uns selbst gegenüber ein wenig nachsichtiger sein – be more kind to ourselves.
Workacation ist ebenfalls ein Teil des Work-Life-Blendings. Bei manchen Jobs funktioniert es durchaus, dass wir 3 Monate woanders hinfahren und dort unsere Arbeit erledigen. Es gibt inzwischen Hotels, die eigene Arbeitszimmer anbieten, um auch während des Urlaubs zu arbeiten. Vor allem in alpinen Ländern ist das eine Möglichkeit während eines längeren Skiurlaubes. Ich glaube dafür müssen wir aber auch erst eigene Techniken und Verhaltensweisen lernen, um damit umzugehen.
Yvonne Sammer: Wie nehmen Sie die nächste Generation wahr?
Oona Horx-Strathern: Was mich glücklich macht ist, dass die junge Generation so großen Wert auf das Thema Ökologie legt. Sie werden die treibende Kraft sein und den Druck auf die Industrie erhöhen, weil sie auf ökologisches Bauen fokussieren, auf die Qualität der Lebensmittel achten und Start Ups verstärkt nachhaltige Produkte auf den Markt bringen.
Yvonne Sammer: Was wünschen Sie sich noch für 2022/2023?
Oona Horx-Strathern: Es wäre gut, wenn wir optimistischer bleiben könnten und dass wir uns auf die Vorteile fokussieren. Ein bisschen mehr kindness, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich denke die Pandemie hat uns das Thema der Einsamkeit, was eigentlich ein großes soziales Thema ist, aufgezeigt.
Unser Wohnen mehr genießen, unsere Beziehungen mehr pflegen, erkennen wie wichtig die Verbindung zu anderen Menschen ist. Das betrifft viele Ebenen, die Nachbarschaft, das Land, den Staat.
Oona Horx-Strathern präsentiert im Home Report 2022 die aktuellsten Wohntrends und zeigt die wichtigsten Entwicklungen in der Architektur- und Baubranche hin zu mehr Nachhaltigkeit und Playfulness auf.
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Profilfoto: Klaus Vhynalek
Interview 02/2022