Interview mit Claudia Eder
Head of Brand & Communications bei karriere.at

„Ich bin sehr froh, dass ich bei karriere.at die Themen des Arbeitsmarktes und auch gesellschaftliche Themen – wie Frauen in der Arbeitswelt, Diversität, Inklusion und Gleichberechtigung – inhaltlich vorantreiben kann.

Yvonne Sammer: Wer ist Claudia Eder und was machst du beruflich?

Claudia Eder: Mein Titel hier bei karriere.at ist „Head of Brand & Communications.“ Ich bin verantwortlich für die Positionierung und Aktivierung der Marke, was unter anderem auch die Fachbereiche Content und Events beinhaltet. Ich bin hier beruflich angekommen, weil sich in meiner Arbeit alles verbindet, was mir wichtig ist:
• Kreativität, um die Marke erlebbar machen
• Strategie, weil das die Basis ist, um die richtigen Maßnahmen zu setzen
• sowie die Markenentwicklung und Positionierung

Was das Werte-Thema betrifft, kann ich in diesem Job genau die Themen und Botschaften vorantreiben, die mir persönlich sehr wichtig sind. Das war mir im Berufsleben immer wichtig, dass ich Unternehmen finde – beziehungsweise Produkte und Dienstleistungen – die ich mit meinen Werten vereinbaren kann. Es liegt mir gar nicht, im Marketing Produkte zu bewerben, die schlecht für die Umwelt oder die Gesellschaft sind.

Yvonne Sammer: Was gefällt dir noch an deinem Arbeitsalltag?

Claudia Eder: Dass ich im Kontext Führungskraft mit Menschen arbeiten kann „so wie es sein sollte“. Damit genau das möglich ist, habe ich bei karriere.at nicht nur den Raum dafür, sondern auch viel an Unterstützung durch meinen Arbeitgeber bekommen, durch 1:1 Coachings sowie Workshops, damit wir unsere Teams über das Fachliche hinaus gut führen können. Das ist natürlich auch großartig!

Yvonne Sammer: Man merkt beim Erzählen, dass du das, was du machst, gerne machst. Wie ist karriere.at als Unternehmen aufgestellt?

Claudia Eder: Wir sind mittlerweile rund 250 Mitarbeiter:innen, mit Sitz in Linz und in Wien. Nächstes Jahr feiern wir unser 20-jähriges Bestehen. In meinem Team, das ich verantworte, sind es 11 Personen.

Yvonne Sammer: Seit 2 Jahren bist du bei karriere.at, was waren deine beruflichen Schritte davor?

Claudia Eder: Ich bin in einer Arbeiter:innen-Familie und in der Gastrowelt (mit einem familiären Betrieb) aufgewachsen. Ich habe somit quasi schon immer gearbeitet und ganz klassisch die HBLA Matura absolviert und in der Hotellerie gearbeitet. Ich liebe die Gastroszene, aber es war mir dann doch zu wenig gestalterisch. Berufsbegleitend absolvierte ich einen MBA, war in der Hotellerie im Product Marketing und in der Lebensmittelbranche im Sales, um ein besseres Gespür für Kund:innen zu bekommen.

Dann kam der Wechsel zum Dachfenster-Martkführer VELUX, ein internationales Unternehmen, wo ich mit Product- und Digital Marketing gestartet habe. Nach einigen Jahren habe ich die Marketingleitung für Österreich übernommen und zum Schluss im regionalen Marketing-Management Team von Deutschland, Österreich und der Schweiz die strategische Marketingplanung verantwortet. Nach insgesamt 11,5 Jahre bei VELUX wurde mir klar, es braucht für mich ein „Weiterentwickeln“ außerhalb. Dann auch den Mut zu haben und zu gehen, ist mir nicht leichtgefallen. Vor allem wenn man sich kollegial wohlfühlt, aber trotzdem irgendwie spürt, man braucht den nächsten Schritt, ohne zu wissen, was kommt … Das braucht schon ein bisschen Überwindung. Ich habe mich dann ohne Druck umgeschaut und bin letztlich über das Inserat von karriere.at auf karriere.at gestolpert (lacht). Die ersten Gespräche waren dann so toll und die Aufgabe so spannend, dass das total gut für mich gepasst hat und ich wusste, da traue ich mich drüber, das will ich machen.

Yvonne Sammer: Du hast es sehr schön beschrieben, wie wichtig es ist, zu hinterfragen „Was passt beruflich zu mir und wo kann ich mich entwickeln und entfalten.“

Claudia Eder: Man sollte wirklich überlegen, mit welchen Branchen man sich gut identifizieren kann und was man nicht will. Manchmal ergibt es sich ja auch, wenn man Augen und Ohren offenhält, dass man dann über die Dinge drüber stolpert und es genau das Richtige ist. Für ein Vorankommen braucht es auch mal die Konfrontation oder in die Veränderung zu gehen. Es kann aber auch wertvoll sein, sich eine Veränderung in einem Unternehmen zuerst einmal anzuschauen. Entweder kannst du daran wachsen oder du stellst fest, dass du andere Prioritäten hast. Sich das dann einzugestehen und konsequent den nächsten Schritt zu gehen – das finde ich sehr wichtig.

„Wenn es mal nicht so ideal rennt, sollte man gut hinschauen und überlegen, was kann ich tun? Also diese Selbstwirksamkeit zu entwickeln und zu leben und nicht in der Passivität oder Opferrolle stecken zu bleiben.“

Yvonne Sammer: Werfen wir einen Blick auf den Arbeitsmarkt. Welche Trends sind zu beobachten?

Claudia Eder: Es gibt ein paar Punkte, die insgesamt die Veränderungen antreiben und bereits hinlänglich bekannt sind: die Pandemie, die Digitalisierung sowie KI, aber auch den Boost der Digitalisierung durch die Pandemie. Ebenso die sogenannte „Covid-Klarheit“, wie wir sie gerne bezeichnen, weil die meisten von uns in der Phase etwas mehr Zeit mit und für sich selbst hatten. Zum Teil war es mitunter schwierig, zum Teil hat es aber oft auch viel für das persönliche Wachstum gebracht. Diese Zeit hat häufig ein anderes Bewusstsein und Selbstverständnis bewirkt und das hat natürlich Einfluss auf die Frage „Wie/wo/bei wem/wieviel bzw. wann will ich arbeiten?“

Hinzu kommt der demografische Wandel, der die Gesamtbewegung am Arbeitsmarkt stark vorantreibt, denn je weniger Arbeitskräfte (aufgrund des Älterwerdens der Bevölkerung) am Arbeitsmarkt sind, umso stärker werden Fach- und Arbeitskräftemangel spürbar.

Wir verändern uns gerade von einem Arbeitgeber:innen-Markt hin zu einem Arbeitnehmer:innen-Markt, in dem Talente ihre Erwartungen äußern und Bedingungen vorgeben.

Das Bewusstsein dieses Wechsels ist inzwischen auf beiden Seiten angekommen und hat Einfluss auf das Recruiting: wie sich Unternehmen aufstellen, welche Benefits sie anbieten und wie sie selbst Reflexionsprozesse in ihrem Unternehmen anstoßen. Zudem verändert es unser Bild über Führungskräfte.

Yvonne Sammer: Was hat es mit dem Thema Leadership auf sich?

Claudia Eder: Leadership ist heute so präsent wie noch nie. Wo man früher noch gesagt hat „Command and Control“, Führung und Hierarchie, als Chefin oder Chef hast du das Sagen und alles läuft… das gibt es heute so in der Form deutlich weniger. Die Erwartungen an Führungskräfte sind anspruchsvoller geworden. Es sind verstärkt Leadership-Skills gefragt statt Management-Skills. Man muss gegenseitiges Vertrauen aufbauen und ein gutes Arbeitsklima sowie eine konstruktive Feedbackkultur schaffen. Es geht darum, zu inspirieren, einen sinnstiftenden Raum zu gestalten und Rahmenbedingungen für Eigenverantwortung zu schaffen, damit Mitarbeitende, die wachsen wollen, das Vertrauen und die Verantwortung dafür bekommen.

Was die Arbeitswelt zusätzlich herausfordert, ist dass man unterschiedliche Generationen im Unternehmen hat, die Unterschiedliches brauchen. Auch das ist ein Thema der Führung, alle gut unter ein Dach zu bringen und Bedürfnisse wahrzunehmen.

Yvonne Sammer: Welche Ergebnisse zeigen eure Marktforschungen zur Arbeitsmarktsituation auf?

Claudia Eder: Es gibt sehr viele Trends und Entwicklungen, die ich persönlich wahrnehmen kann und die wir anhand sehr vieler Studien, Recherchen und Marktforschungen belegen können. Wir fragen z. B. ab, welche Erwartungen gibt es an Arbeitgeber:innen, was ist ein Must have, was wird noch als Benefit wahrgenommen, welche Informationen möchte man haben, wenn man sich einen neuen Job sucht. Also alle Wünsche, Hürden und Chancen für einen potentiellen Jobwechsel und Bewerbungsprozess.

"Was die Leistungsbereitschaft betrifft, so sind junge Menschen definitiv leistungsbereit, aber entscheidend ist für sie das WIE."

Yvonne Sammer: Wie steht es um die GenZ? Was wollen sie wirklich?

Claudia Eder: Im Spätherbst 2022 haben wir eine Motivstudie mit der GenZ gemacht, um alle Mythen und Hürden, die so herumgeistern, einmal aufzuklären. Mit einer Motivforscherin haben wir in einem Onlineforum 10 Tage lang mit der GenZ zu den unterschiedlichsten Fragestellungen diskutiert. Wie sie leben, was ihnen wichtig ist und wie sie sich selbst einschätzen. Die meisten Mythen haben wir dadurch widerlegen können. Und: wir konnten drei Typen auslesen, denn es gibt nicht den „einen einzigen GenZ-Typ“.

Was mich ein bisschen wurmt, aber auch anspornt, war zu sehen, dass sogar bei den jungen Männern und Frauen diese starken stereotypen Rollenbilder und Prägungen über Generationen hinweg verankert sind. Man sieht bei dieser und anderen Studien, dass es deutlich mehr Selbstbewusstsein und statusbezogene Ziele bei Männern gibt, währenddessen Frauen eher weniger Selbstbewusstsein haben bzw. zurückhaltender sind, wenn es um statusbezogene Ziele geht. Frauen formulieren es eher in Richtung Glück und Zufriedenheit.

Es geht ganz stark um Flexibilisierung – sowohl den Standort (Home-Office oder Office) als auch die Arbeitszeiten betreffend. Es geht nicht darum möglichst wenige Stunden zu arbeiten, sondern darum, sich die Zeit flexibler einteilen zu können. Wenn heute die Sonne scheint und ich in der Früh oder zwischendurch mit meinem Hund spazieren gehen möchte und dafür vielleicht mal eine Stunde später anfange oder am Tagesende nachhole, dann arbeite ich danach nicht weniger motiviert, sondern noch produktiver, als wenn ich nach einem starren Gerüst arbeiten muss.

Die GenZ ist also leistungsbereit, möchte eine gewisse Flexibilität und sie wollen gefordert und gefördert werden. Wenn sie spüren, dass sie sich gut entwickeln können, sie ernst genommen werden, man ihnen zutraut, dass sie etwas können oder es lernen können, dann sind sie voll motiviert sich reinzuhauen. Ich denke, da ist schon viel missverstanden worden – oft durch Einzelaussagen – was ich sehr schade finde.

"Spannend ist ja, dass man denkt, dass dieser Wunsch nach Flexibilität und Weiterentwicklung nur den Jungen gehört. Vielleicht artikulieren sie es nochmal deutlicher als andere Generationen sich das trauen bzw. getraut haben. Der Wunsch nach Flexibilität ist jedoch generationsübergreifend und je nach Lebensphase unterschiedlich ausgeprägt.“

Yvonne Sammer: Welche Challenges gibt es für uns Frauen? Was hat es mit Gender Balance und diversen Bias auf sich?

Claudia Eder: Es gibt sehr viele Studien, die aufzeigen, was Diversität und Gender Balance in der Produktivität und Innovation in einem Unternehmen bewirken. Also ich denke, der „reason why“ ist schon irgendwie angekommen und trotzdem geht die Umsetzung so schleppend voran. Diese Unconscious Bias, also die Rollenbilder und stereotypen Vorurteile – wie ticken Frauen, wie ticken Männer, was können sie / nicht – das sind ja alles Prägungen, die über Jahrzehnte in den Köpfen festgefahren sind. Genau das aufzubrechen ist die eigentliche Challenge, die sich über so viele Bereiche zieht. Beim „Gender Bias“ zum Beispiel werden Frauen von außen gewisse Kompetenzen oder Eigenschaften zugeschrieben bzw. denken Frauen das teils auch über sich selbst.

Sowohl Gender- als auch In-Group Bias haben ebenso mit der Beförderung als auch mit dem Recruiting generell zu tun, denn wir wissen ja, dass Menschen sich gerne mit den Menschen umgeben, die einem selbst ähnlich sind.

Der Age Bias ist insgesamt, aber oft auch für Frauen ein spezielles Thema. Dass man z.B. denkt: „Jetzt bin ich bald 30, wie gehe ich mit dem Kinderkriegen um, was wird aus meiner Karriere, …?“ Hier stehen Frauen selbst vor vielen Fragen und gleichzeitig erleben sie auch häufig eine gewisse Voreingenommenheit in Beförderungs- oder Recruitingprozessen.

„Wichtig in der Diskussion ist, dass man es nicht wieder nur den Frauen umhängt und sagt: „Sie müssten halt mutiger und selbstbewusster werden“, sondern dass wir als Gesellschaft verstehen, dass wir insgesamt ein gesellschaftliches Defizit haben.“

Yvonne Sammer: Was können wir konkret für mehr Gleichgewicht und Gleichberechtigung tun?

Claudia Eder:

1.) Es bedarf sehr reflektierter Menschen in Personal- und Recruitingverantwortung. Daher ist es wichtig, Bias-Trainings zu machen, um ein Bewusstsein zu schaffen, welche Bias es gibt, weil das ja alles unbewusste Vorurteile sind und meist keine bewusste Diskriminierung. Leadership heißt, ich entwickle und führe Menschen. Und Menschen sind eben individuell, haben unterschiedliche Bedürfnisse und stehen an unterschiedlichen Punkten im Leben. Ich kann sie nur dann führen und entwickeln, wenn ich verstehe, wo sie geradestehen. Um diese Individualität wahrnehmen zu können, ist es notwendig, stereotype Vorurteile zu reflektieren und abzubauen.

2.) Wir brauchen mehr Vorbilder und Menschen in Unternehmen, die das Thema vorantreiben und darauf aufmerksam machen. Die Diskussion und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und Gesellschaft ist ein wichtiger Faktor und hier können wir alle in unserem Einflussbereich einen Beitrag leisten.

3.) Im Recruiting haben wir in den Studien gesehen, dass sich Frauen weniger bewerben als Männer, wenn sie glauben sie erfüllen die Qualifikationen nicht. Hier gilt es Rollenbilder auch über die Sprache aufzubrechen: einerseits durch die Vermeidung stereotyper Formulierungen, anderseits durch genderneutrale Sprache. Denn unsere Sprache ist ja nicht von Haus aus geschlechtsneutral ist, sondern meistens männlich gegendert.

4.) Selbstreflektion: welche Erwartungen spüre ich von der Gesellschaft oder meinem Umfeld? Wie passt das zu meiner Persönlichkeit und meinen Bedürfnissen? Bedeutend ist nicht, was mir zugetraut wird, sondern an sich selbst zu glauben, den Mut zum Risiko aufzubringen und an Herausforderungen zu wachsen.

5.) Last but not least: es sind immer noch mehrheitlich Frauen die Care Arbeit leisten und in Teilzeit-Beschäftigung gehen. Hier braucht es nicht nur ein verstärktes gesellschaftliches Umdenken, sondern auch strukturelle Unterstützung wie z.B. Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Kinderbetreuung. Aber auch Jobsharing Modelle für Führungspositionen würden es sowohl Männern als auch Frauen erleichtern, den Job mit Care Arbeit zu vereinbaren.

Umgekehrt geht es Männern ähnlich. Sie sind zwar im beruflichen Kontext nicht so benachteiligt wie Frauen, aber wenn es zum Beispiel um Emotionalität oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, erleben sie ebenfalls Limitationen, weil auch sie in ihren Rollenbildern gefangen sind.

Yvonne Sammer: Welches sind beruflich deine Top 3 Learnings?

Claudia Eder:

1.) Ausprobieren und Erfahrungen zu sammeln und auch mal ins kalte Wasser springen. Herausfinden, wo sind meine Talente und was ist meine Passion.

2.) Es gehören auch Fehler dazu oder dass man durch schwierige Phasen geht. Das trägt dazu bei zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.

3.) Resilienz und Selbstfürsorge sind für die Leistungsfähigkeit und mentale Gesundheit sehr wichtig, vor allem, wenn man gerne und viel arbeitet. Ein guter Umgang mit Ressourcen, sich bewusst sein, was gibt und was nimmt Energie und aktiv für eine Balance zu sorgen, ist hier wesentlich.

LINKS zu den Studien von karriere.at:

o Gen Z Motivstudie: https://www.karriere.at/hr/whitepaper/gen-z
o Mutstudie: https://www.karriere.at/c/a/mut-studie
o So ticken Kandidat*innen 2022 Teil 1: https://www.karriere.at/hr/whitepaper/so-ticken-kandidatinnen-1
o So ticken Kandidat*innen 2022 Teil 2: https://www.karriere.at/hr/whitepaper/so-ticken-kandidatinnen-2
o NEU – Gründe für/gegen Teilzeitarbeit: https://www.karriere.at/presse/jede-r-zweite-kann-es-sich-nicht-leisten-in-teilzeit-zu-arbeiten

Vielen DANK für das aufschlussreiche Interview und den Gedankenanstoß!

Fotocredit: Claudia Eder

09 – 2023